Arbeitgeber und Gewerkschaften suchen nach einem Modell, das die gleiche Bezahlung von Stamm- und Zeitarbeitern regelt. Obwohl die Definition noch unklar ist, wird das Prinzip vielerorts schon angewendet. Aufwand und Kosten werden steigen - und die Löhne.
(Von Sven Astheimer) Dass die Produktion von Metzgerei- Utensilien ein Saisongeschäft ist, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Doch die meisten Fleischwölfe und Bandsägen stellt der schwäbische Maschinenbauer Kolbe für die Fleischabteilungen neuer Supermärkte her, wie Geschäftsführer Karsten Hackemesser sagt. Weil der Baubeginn von Einkaufszentren zumeist im Frühjahr liege, falle die Eröffnung auf den Spätherbst. Deshalb läuft die Produktion von Kolbe in Elchingen bei Ulm in den Monaten dazwischen auf Hochtouren. Dann wird die Stammbelegschaft von 40 Leuten um gut ein Viertel erweitert - durch Zeitarbeiter.
Produktionsspitzen
Es geht nicht darum, Geld zu sparen, sagt Hackemesser zum Einsatz des geliehenen Personals. Er brauche für die Produktionsspitzen gute Metallfacharbeiter. Deshalb zahle er den Zeitarbeitern vom ersten Einsatztag an freiwillig denselben Stundenlohn von 15 Euro wie den Stammkräften. Das sind 3 bis 4 Euro mehr, als er nach dem Zeitarbeitstarifvertrag eigentlich müsste. Ich will zufriedene Mitarbeiter, sagt Hackemesser, zumal er häufig Leiharbeiter übernehme. Gut ein Dutzend Mitarbeiter seiner heutigen Stammbelegschaft habe er so rekrutiert. Wir mussten noch nie eine Anzeige schalten.
Gleichbehandlung
Würden alle Unternehmer Zeitarbeit so einsetzen wie Hackemesser, wäre die Diskussion um die Gleichbezahlung von Zeitarbeitern und Stammbelegschaften nie entstanden. Eigentlich regelt ja schon das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, dass Zeitarbeiter nicht nur wie Stammkräfte bezahlt, sondern auch behandelt werden müssen. Allerdings ermöglicht die Tarifklausel, dass Tarifverträge abweichende Regelungen beinhalten können. Davon haben die Zeitarbeitsunternehmen reichlich Gebrauch gemacht: Mehr als 90 Prozent Tarifbindung kann wohl kein anderer Wirtschaftsbereich aufweisen. Die Einstiegstariflöhne für ungelernte Kräfte liegen in der Zeitarbeit mit 7,89 Euro im Westen und 7,01 Euro im Osten unter denen der Industriegewerkschaften.
Verhandlungen
Die Tarifklausel steht nun im Mittelpunkt, wenn am 22. Februar die Verhandlungen zwischen den Mitgliedern des Deutschen Gewerkschaftsbundes und den Zeitarbeitgeberverbänden BAP und IGZ über ein allgemeines Gleichbezahlungsmodell für die aktuell rund 900 000 Zeitarbeiter beginnen. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat den Tarifparteien schon eine Frist bis April gesetzt: Zeichnet sich bis dahin keine Lösung ab, will sie es auf dem Gesetzesweg regeln. Die Zeitarbeitgeber wollen dies auf jeden Fall verhindern. Wir sind eine eigenständige Branche und wollen das auch bleiben, sagt IGZ-Hauptgeschäftsführer Werner Stolz. Nach jahrelangem Widerstand zeigt sich die Branche jedoch kompromissbereit. Bei der tariflichen Entlohnung gibt es eine offene Gerechtigkeitslücke im Bewusstsein der Menschen, räumt Stolz ein.
Sondierungsgespräche
Vorfälle wie die des mittlerweile insolventen Drogeriekonzerns Schlecker, der Mitarbeiter entlassen und in einer hauseigenen Zeitarbeitsfirma wiedereinstellen wollte, um so den Einzelhandelstarifvertrag zu unterlaufen, hatten von der Leyen schon einmal zum Eingreifen veranlasst, als sie per Gesetz den Drehtüreffekt verbieten ließ. Der Streit über Auslagerungen in konzerneigene Zeitarbeitsgesellschaften geht jedoch weiter, wie ein aktuelles Gerichtsurteil zeigt, das der Lufthansa erlaubt, Flugbegleiterinnen auf Leihbasis einzustellen. Die Sondierungsgespräche deuten darauf hin, dass ein simples Streichen der Tarifklausel wohl niemand favorisiert. Zu groß scheint auch unter den Kritikern die Sorge, damit den Beschäftigungsmotor Zeitarbeit abzuwürgen.
Gleiche Bezahlung?
Doch bevor sich die Tarifparteien auf ein Modell einigen können, müssen sie eine gemeinsame Antwort auf die Frage finden: Was heißt eigentlich gleiche Bezahlung? Die Diskussion krankt daran, dass der Begriff nicht eindeutig vom Gesetzgeber definiert ist, sagt IGZ-Vertreter Stolz. Ist nur der Stundenlohn ausschlaggebend? Oder geht es auch um Prämien, die gerade in der Industrie einen gehörigen Unterschied machen? Und was ist mit Zuschüssen für eine betriebliche Altersvorsorge? Richtig kompliziert wird die Sache, wenn es an die Gleichbehandlung geht: Wie setzt man den Anspruch auf einen Kindergartenplatz des Stammarbeiters für den Zeitarbeitskollegen um?
Häufige Praxis
Dabei ist zumindest Gleichbezahlung kein neues Thema für die Branche, sondern häufig schon gängige Praxis. Die Autohersteller BMW oder Audi etwa haben den Einsatz von Zeitarbeitern längst in Haustarifen geregelt. Allerdings wurde die Gleichbezahlung häufig nicht offensiv kommuniziert, um die eigenen Branchentarifverträge nicht zu schwächen. Und jedes Unternehmen handelt bislang mit der Verleihfirma seine eigene sogenannte Equal-Pay-Vorstellung aus. Der Flugzeughersteller Airbus ist für sein besonders komplexes Modell bekannt. Die Vielzahl von Tätigkeiten und Tarifverträgen im Konzern ist so groß, dass Personaldienstleister die Abrechnung für ihre Zeitarbeiter schon von Airbus erledigen lassen.
Einfaches Modell
Wir brauchen ein Modell, das einfach und transparent ist, fordert Dieter Traub deshalb mit Blick auf die Verhandlungen. Als Geschäftsführer von Orizon, mit rund 250 Millionen Euro Jahresumsatz einem der größten inländischen Anbieter am deutschen Zeitarbeitsmarkt, hat er schon einige Erfahrung mit dem Thema gesammelt. Entweder kam wie im Fall des Fleischwolfherstellers Kolbe der Wunsch dazu direkt vom Kunden. In anderen Fällen trug der Wettbewerb um fähige Mitarbeiter zur Einsicht bei. Ohne konkurrenzfähige Löhne ist in einigen Regionen einfach niemand mehr zu bekommen, sagt Traub.
Unterste Qualifikationsgruppen
Bei der derzeit guten Lage am Arbeitsmarkt spiele der Tariflohn der Zeitarbeit ohnehin nur in den untersten Qualifikationsgruppen eine Rolle - wenn überhaupt. In weiten Teilen Baden-Württembergs bekomme man für 7,89 Euro keine ungelernten Helfer mehr. Unter 9 Euro in der Stunde geht da nichts. Von Branchenzuschlägen für Leihkräfte, wie sie die Chemie schon in ihrem Tarifvertrag verankert hat, hält er wenig. Dann werden die Lohnschwankungen für den Mitarbeiter von Einsatz zu Einsatz noch größer.
Flexibilität
Sollte gar die Gleichbehandlung von Stamm- und Zeitarbeitern vorgeschrieben werden, sieht Traub das Geschäftsmodell der Branche in Gefahr. Denn durch die Bürokratie, die dafür nötig würde, verliere das Instrument seinen größten Vorteil: die Flexibilität für den Kunden. Mehr Arbeit werde aber auch durch die Gleichbezahlung auf die Personaldienstleister zukommen, glaubt Traub. Vor allem in der IT-Abteilung werde er neue Mitarbeiter einstellen müssen. Die Konsequenz liege auf der Hand: Zeitarbeit wird teurer werden.
Quelle: Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V.
www.ig-zeitarbeit.de